Nichts verdirbt einen guten Abend mehr als der Kater am Morgen danach. In Großbritannien ist nun eine Pille auf dem Markt, die dem Elend ein Ende setzen will. Ist die Anti-Kater-Pille der langersehnte Gamechanger?
Das letzte Bier war schlecht und nun wird im Bett Schwanensee aufgeführt. Das Hirn drückt von innen an den Schädel, der Magen übt sich im Großreinemachen und alles, wirklich alles ist ein großes Elend. Der Rausch kann etwas Wunderbares sein, der Kater danach eher nicht. Was aber, wenn der mit einer schnöden Pille gecancelt werden könnte? Gibt’s nicht? In Großbritannien seit gestern schon. Dort ist nun ein Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt, das dem Alkoholkater ein Ende setzen will.
Glaubt man dem Hersteller, handelt es sich bei “Myrkl” um eine Art Zauberpille, die den Alkohol im Körper in Windeseile verschwinden lässt. Nach nur einer Stunde sollen bereits bis zu 70 Prozent des konsumierten Alkohols abgebaut sein. Das wäre natürlich sensationell. Man könnte sich die etwas schwierige Verwandtschaft beim Familienfest angenehm trinken und eben dieser dennoch zeitnah das Tschüss anbieten. Ein, spätestens zwei Stunden nach dem letzten Drink sollte man nach Adam Riese bestenfalls wieder öffentlich- und verkehrstauglich sein. Ein Gamechanger.
Nüchtern betrachtet, klingt das alles allerdings ein wenig zu gut um wahr zu sein.
Alkohol wird schneller abgebaut
Was ist Myrkl: Wunderpille oder doch nur Platzpatrone? Laut Angaben des schwedischen Herstellers helfe die Tablette dabei, den Alkohol schnell abzubauen, bevor er die Leber erreicht. Dafür müssen zwei Pillen des Präparats spätestens eine Stunde vor dem ersten Schluck eingenommen werden. Binnen 30 Minuten sorgt die Pille dann dafür, dass der Alkoholgehalt um die Hälfe reduziert wird, nach einer Stunde um erwähnte bis zu 70 Prozent. Bis zu 12 Stunden wirke die Pille und baue weiterhin Alkohol ab. Auf dieses Ergebnis kamen Forscher des Unternehmens in einer gemeinsamen Arbeit mit dem Institut für Wissenschaft und Gesundheit Pfützner in Mainz und dem Pharmaunternehmen De Faire Medical. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt“Journal Nutrition and Metabolic Insights” veröffentlicht.
Welche Zauberformel kann dieses Wunder schaffen? Die britische Nachrichtenseite “i” hat die Inhaltsstoffe von Paul Skett prüfen lassen. Er ist Pharmakologe und Spezialist für Alkoholstoffwechsel, also alle Vorgänge rund um den Abbau und die Umwandlung des Alkohols im Organismus. Es sei zwar unmöglich, die Ausscheidung von Alkohol aus dem Körper zu beschleunigen, eine verlangsamte Alkoholabsorption könnte aber seiner Meinung nach für einen positiven Effekt sorgen. In der veröffentlichten Forschungsarbeit von Myrkl werde erklärt, dass die Alkoholaufnahme durch eine Verwendung eines Probiotikums, bei dem es sich um normale Bakterien zu handeln scheint, verringert werde, so Skett. Und weiter: “Natürlich könnte dies die Schwere eines Katers verringern, und ich nehme an, dass es in diesem Sinne funktionieren könnte.”
Wenig überraschend sind auch die restlichen Bestandteilen der Anti-Kater-Pille. Die Aminosäure L-Cystein und Zucker. Also nichts, was sich nicht auch in den meisten Lebensmitteln fände. So stecke in der Pille unter anderem das Vitamin B12, welches zudem für einen Energiekick sorgen soll. Alle Inhaltsstoffe seien von der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen, gibt der Hersteller an.
Anti-Kater-Pille ist auch Anti-Rausch-Pille
Und diese eher unspektakuläre Rezeptur soll dem Teufel Alkohol das Diabolische nehmen. Von dem Kater nach der durchzechten Nacht befreien, von Übelkeit und Kopfschmerz. Joris Vester glaubt daran nicht. Er leitet die Abteilung für Pharmakologie an der Universität Utrecht und ist Gründer der Alcohol Hangover Research Group. Er sagte dem “i”, dass lediglich die direkte Wirkung nach dem Alkoholkonsum untersucht wurde. Es gebe aber “keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass dieses Produkt gegen Kater wirksam ist”. Zumal die Studie, auf die sich der Hersteller beruft, sehr klein war. Lediglich 24 Personen nahmen an ihr teil. Die eine Hälfte bekam eine Woche lang zweimal täglich eine Anti-Kater-Tablette, die andere Hälfte ein Placebo. Am Versuchstag gab’s dann zum kleinen Frühstück ein Glas Vodka. Zu beachten hierbei: Die Pillen wurden nicht nur an dem Tag des Alkoholkonsums eingenommen, sondern eine Woche lang. Die Alkoholmenge beschränkte sich auf ein einzelnes Glas Vodka.
Ist etwas dran an den Aussagen des Herstellers, dann ist zu erwarten, dass die Anti-Kater-Pille mit mindestens einer Nebenwirkung kommt, die nicht allen schmecken dürfte. Durch einen schnellen Abbau des Alkohols wird auch ein Rauschzustand unwahrscheinlicher. Anders ausgedrückt: man verträgt mehr. Das sieht auch die britische TV-Ärztin Dawn Harper so. Im “Independent” wird sie mit den Worten zitiert: “Um es klar zu sagen, dies ist kein Produkt für Leute, die sich betrinken wollen. Die Einnahme von Myrkl vor dem Alkoholkonsum macht das Betrinken viel teurer und dauert deutlich länger.” Als Freibrief für einen höheren Alkoholkonsum will das Unternehmen die Pille außerdem nicht verstanden wissen. Myrkl dürfe nie eine Entschuldigung dafür sein, mehr Alkohol zu trinken. Für moderate Trinker jedoch, handele es sich um ein “bahnbrechendes” Produkt.
Erfunden hat die Pille der Wissenschaftler Johan de Faire im Jahr 1990. Mehr als 30 Jahre Entwicklung später ist die Anti-Kater-Pille nun in Großbritannien erhältlich.
Quelle: The Telegraph, Independent, i, DailyMail, Myrkl
Quelle: Stern