Natürlich danke ich der Bundesregierung für die fortwährende Unterstützung unserer demokratischen Bewegung. Deutschland hat Lukaschenko nicht als Präsidenten anerkannt. Deutschland hat sich den Sanktionen gegen das Regime angeschlossen und die Zivilgesellschaft unterstützt.
Gibt es etwas Besonderes, das Sie und Annalena Baerbock als Frauen und Mütter von zwei Kindern verbindet?
Letztendlich weiß ich nicht, worauf gute Beziehungen wirklich basieren. Aber ja, wir sind Frauen. Ich erinnere mich, dass ich Annalena kennengelernt habe, als sie noch Vorsitzende der Grünen war. Wir kamen mit unserem Schmerz, dem Schmerz unserer Frauen und unserer Gefangenen. Sie ist eine Frau. Sie versteht, wie wir uns fühlen. Sie wurde von den Frauen inspiriert, die die Proteste angeführt haben. Und sie ist inspiriert von unserem Kampf. Aber natürlich habe ich auch gute Beziehungen zu Männern, die keine Kinder haben.
Werden Sie bei Ihren Treffen eigentlich als Exil-Präsidentin oder Oppositionsführerin angesprochen?
Ich denke, es kommt überhaupt nicht darauf an, wie mich die Menschen nennen. Einige sagen Oppositionsführerin, einige sprechen von mir als der gewählten Präsidentin von Belarus, andere sehen mich als demokratische Anführerin. Lukaschenko hält sich für den größten Präsidenten, der alle Wahlen gewonnen hat, was aber nicht heißt, dass er das Vertrauen der Menschen genießt.
Sie hingegen wurden zu einem Vorbild für Demokratiebewegungen auf der ganzen Welt.
Ich weiß, dass die Menschen im Jahr 2020 für mich gestimmt haben. Das ist jetzt meine Aufgabe und ich tue ich alles dafür, um die politischen Gefangenen in unserem Land zu befreien, die Repressionen zu stoppen und unser Land in Neuwahlen zu führen.
Seit damals ist viel passiert. Ihr Ehemann sitzt noch immer im Gefängnis. Sie leben im Exil in Litauen. In Ihrem Nachbarland, der Ukraine, tobt ein furchtbarer Krieg.
Lukaschenko hat unser Land betrogen. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass er Belarus in diesem schlimmen Krieg selbst zu einem Aggressor gegen die Ukraine gemacht hat. Wir müssen jetzt nicht mehr nur für unsere Freiheit und Demokratie kämpfen, sondern auch für unseren guten Ruf.
Fürchten Sie, dass in der Ukraine nicht nur die Wut auf die russische Bevölkerung wächst, sondern auch auf das belarussische Volk?
Es ist wichtig, die Zahlen zu kennen. Etwa 85 bis 90 Prozent der Belarussen sind gegen die Beteiligung unserer Armee an diesem Krieg. Wir waren geschockt, als Lukaschenko unseren Boden russischen Truppen und deren Ausrüstung zur Verfügung gestellt hat. Von unserem Land wurden Raketen auf die Ukraine geschossen. Butscha wurde von unserem Land aus bombardiert.
Wie sah Ihre Reaktion darauf aus?
Als der Krieg ausbrach, haben wir sofort damit begonnen, der Ukraine, Polen und Litauen zu erklären, dass wir Belarussen gegen diesen Krieg sind. Viele von uns kämpfen an der Seite der Ukrainer gegen die russischen Soldaten. Wir haben Bildmaterial von russischen Truppenbewegungen auf unserem Boden umgehend an die ukrainische Armee gesendet. Das ist eine enorme, quasi geheimdienstliche Unterstützung. Belarussische Flüchtlinge, die seit einiger Zeit in Polen sind, helfen nun ukrainischen Flüchtlingen.
Quelle: t-online