28.01.2022, 18:15 Uhr
Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers beim G8-Gipfel in Heiligendamm vor 15 Jahren hat möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßen. Das Verwaltungsgericht in Schwerin erwägt, das Verfahren an das Landesverfassungsgericht zu verweisen.
Schwerin (dpa/mv) – Das vom Verwaltungsgericht in Schwerin am Freitag vertagte Verfahren um den Einsatz eines verdeckten Ermittlers beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm könnte noch größere Kreise ziehen. Es stehe unter anderem die Frage im Raum, ob der Fall dem Landesverfassungsgericht vorgelegt werden müsse, sagte die Anwältin des Klägers, Anna Luczak, nach der Verhandlung am Freitag. Grund sei, dass möglicherweise ein Richter von vornherein über den Einsatz des V-Mannes hätte entscheiden müssen.
Der von dem verdeckten Ermittler beobachtete gebürtige US-Amerikaner Jason Kirkpatrick hatte das Land Mecklenburg-Vorpommern 2016 verklagt, da er den Einsatz eines Spitzels durch das Landeskriminalamt (LKA) als Eingriff in seine Grundrechte betrachtet. Konkret sieht er durch die Überwachung sein Recht auf Schutz der Privatsphäre, auf informationelle Selbstbestimmung und die Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt. “Den ganzen Tag sehe ich teils als großen Erfolg”, sagte Kirkpatrick nach der Verhandlung am Freitag. Er werde in keinem Fall aufgeben und wenn nötig auch bis vor den europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen.
Wie seine Anwältin im Anschluss an die Verhandlung erläuterte, hatte das Bundesverfassungsgericht zum damaligen Zeitpunkt bereits in einem ähnlichen Fall entschieden, dass der Einsatz eines verdeckten Ermittlers durch die Polizei von einem Richter genehmigt werden müsse. Dieser sogenannte Richtervorbehalt sei jedoch im Landesgesetz von Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgesehen gewesen. Der Einsatz eines Spitzels ohne richterliche Genehmigung verstoße also von vornherein gegen geltendes Recht.
Die Landesregierung hatte 2011 bereits eingeräumt, dass das LKA einen verdeckten Ermittler beschäftigte, den britischen Polizisten Mark Kennedy, Tarnname Mark Stone. Kennedy hatte im Jahr 2007 die linksextreme Szene in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg ausgeforscht. Das Land bezahlte für Kennedy während des G8-Gipfels in Heiligendamm unter anderem Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten.
Die Vertreterin des Innenministeriums machte in der Verhandlung klar, dass die Landesregierung die Klage als ungültig ansieht. Kirkpatrick habe bereits seit 2011 gewusst, dass er bespitzelt worden sei, jedoch erst 2016 in Schwerin Anklage eingereicht. Sie verwies hier unter anderem auf die Notwendigkeit der Wahrung des Rechtsfriedens, die eine zeitnahe Klage erforderlich mache.
Erschwerend kommt hinzu, dass Teile der Unterlagen über den Einsatz bereits vernichtet wurden oder der Geheimhaltung unterliegen. Das Innenministerium sieht auch das, angesichts der langen Untätigkeit des Klägers, als gerechtfertigt an. Es habe keinen Grund für eine Beweissicherung gegeben.
Vertagt wurde die Verhandlung nun, um dem Innenministerium Zeit einzuräumen, zu Anträgen der Klägerseite Stellung zu beziehen. Diese hatte im Verfahren unter anderem beantragt, Kennedy und seinen Führungsoffizier bei der britischen Polizei vorzuladen. Ob es einen weiteren Verhandlungstermin geben wird, ist laut Anwältin Luczak ungewiss.
Der Gipfel der acht führenden Industrieländer fand im Juni 2007 statt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm, mit rund 16.000 Polizisten gab es den bis dahin größten Polizeieinsatz der Bundesrepublik. Die Kosten wurden auf 100 Millionen Euro geschätzt. Im Zusammenhang mit den Protesten wurden rund 1500 Strafverfahren eingeleitet, von denen die Mehrzahl aber eingestellt wurde. Es gab zahlreiche Prozesse, auch gegen die staatlichen Sicherheitsmaßnahmen.
Quelle: NTV