Berlin Trotz extrem hoher Infektionszahlen samt Rekordinzidenz am Samstag sind am vergangenen Sonntag erste bundesweite Corona-Schutzauflagen weggefallen. Der Bundestag hatte am Freitag entsprechende Änderungen am Infektionsschutzgesetz beschlossen.
So dürfen Fahrgäste den öffentlichen Nah- und Fernverkehr wieder ohne 3G-Nachweis (Geimpft, Genesen oder Getestet) nutzen. Aufgehoben ist nun auch die gesetzliche Verpflichtung zu 3G-Zutrittsnachweisen am Arbeitsplatz. Künftig sollen Unternehmen selbst die Gefährdungslage einschätzen und in betrieblichen Hygienekonzepten Schutzmaßnahmen festlegen können. Auch Teilnehmerobergrenzen für Veranstaltungen und Kontaktbeschränkungen gibt es nicht mehr.
Auch viele weitere Maßnahmen fallen weg – es gibt aber eine zweiwöchige Übergangsregelung, in der die Bundesländer sie aufrecht erhalten können, bis sie eigene Regelungen für den weiteren Umgang mit der Coronapandemie gefunden haben. Vorerst tun das auch alle Bundesländer.
Welche Corona-Schutzauflagen gelten bis spätestens zum 2. April noch?
- Die Maskenpflicht gilt in Bus und Bahn weiterhin. In der Bordgastronomie bleibt die 3G-Regel bestehen.
- Auch beispielsweise in Geschäften, Schulen und Krankenhäusern herrscht vorerst weiter die Maskenpflicht.
- Zugangsbeschränkungen wie 2G und 3G bleiben an vielen Orten bestehen.
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Spätestens am 2. April fallen dann auch die meisten dieser Maßnahmen weg. Dann können die Länder nur noch den sogenannten Basisschutz anwenden. Eine Maskenpflicht in Schulen, Geschäften und öffentlichen Innenräumen ist dann nicht mehr ohne Weiteres möglich.
Welche Corona-Schutzauflagen gelten ab dem 2. April noch?
- Bundesweit gilt die Maskenpflicht im Luft- und Personenfernverkehr. Die Bundesregierung kann sie mit Zustimmung des Bundesrates aussetzen.
- Die Länder können in einigen anderen Bereichen Maskenpflicht anordnen. Beispiele sind: Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen, Rettungsdienste, Asylbewerberunterkünfte und der öffentliche Nahverkehr.
- Die Länder können zudem für gewisse Bereiche eine Testpflicht anordnen. Beispiele sind: Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Asylbewerberunterkünfte, Schulen, Kindertagesstätten, Gefängnisse und der Maßregelvollzug.
Zusätzlich zu diesem Basisschutz können die Landtage der Bundesländer Gebiete zu „Hotspots“ erklären, in denen sie die „konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ sehen. Das kann für ein ganzes Bundesland gelten, aber auch nur für einen Landkreis oder ein Stadtviertel. Die Kriterien für einen Hotspot sind nicht klar bestimmt – an diesen Orten muss entweder die Überlastung der Krankenhäuser oder die Verbreitung einer gefährlicheren Virusvariante drohen.
Welche Corona-Schutzauflagen können die Länder für Hotspots anordnen?
- Die Maskenpflicht kann auf Geschäfte des täglichen Bedarfs, wie Supermärkte, ausgeweitet werden. Auch Abstandsgebote können wieder eingeführt werden.
- 3G-Zugangsbeschränkungen für Einrichtungen, wie öffentliche Verwaltungsgebäude, und Unternehmen, wie Gastronomie und Musikveranstaltungen, können wieder in Kraft gesetzt werden.
Die von der Ampel-Koalition durchgesetzten Neuregelungen stoßen auf breite, parteiübergreifende Kritik von Bundesländern und Kommunen. Denn sie sie erlauben nur noch wenige zusätzliche Maßnahmen. Außerdem sind die Hürden für die Erklärung eines Hotspots nach Auskunft der Länder zu unklar und komplex, um darüber den Infektionsschutz zu regulieren.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) moniert, das neue Gesetz sei nicht praktikabel. Es sei nicht klar, wie es angewendet werden könne und welche Maßstäbe und Parameter für „Hotspots“ gelten, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Nordrhein-Westfalens Ressortchef Karl-Josef Laumann (CDU) nannte die Lockerungen bei WDR 5 „nicht verantwortbar“. Eine Maskenpflicht in Innenräumen über den 2. April hinaus wäre „absolut richtig“.
Städtetags-Präsident Markus Lewe erwartet einen Flickenteppich an Regelungen. „Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass das Gesetz bald wieder korrigiert werden muss“, sagte er zudem den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
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Die Virologin Melanie Brinkmann sagte im Deutschlandfunk, man habe auf einen Schlag „einen zahnlosen Tiger“ vor sich. Aktuell gebe es ein sehr hohes Infektionsgeschehen in der Bevölkerung. Daher sei es genau „der falsche Zeitpunkt, Werkzeuge aus dem Werkzeugkasten zu nehmen.“ Brinkmann äußerte „völliges Unverständnis“, dass eine der wichtigsten und am wenigsten belastenden Maßnahmen – das Masketragen – deutlich eingeschränkt werde.
FDP-Chef Christian Lindner verteidigte das Gesetz erneut. Es sei „verantwortbar“ und finde die richtige Balance zwischen individuellem und staatlichem Gesundheitsschutz, sagte der Bundesfinanzminister der „Augsburger Allgemeinen“.
„Eine Maskenpflicht kann es allerdings nicht ewig geben“
Rufe nach einer flächendeckenden Maskenpflicht gibt es besonders für Geschäfte. Möglich ist dies künftig aber nur noch, wenn Länder es regional für Hotspot-Gebiete festlegen. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, sagte der „Passauer Neuen Presse“ auf die Frage, ob die Branche mit einer Fortführung der Pflicht zur Maske leben könnte: „Wer sie aufsetzt, schützt sich selbst und andere.“ Viele hätten sich an sie gewöhnt, auch beim Einkaufen. „Eine Maskenpflicht kann es allerdings nicht ewig geben.“
Mehrere Länder in Europa haben Corona-Regeln weitgehend abgeschafft. Österreich zieht wegen stark steigender Infektionszahlen die Zügel erneut an. Ab Mitte dieser Woche müssen in öffentlichen Innenräumen wieder FFP2-Masken getragen werden, wie Gesundheitsminister Johannes Rauch am Freitagabend ankündigte. Im Nachbarland ist die Sieben-Tages-Inzidenz etwa doppelt so hoch wie in Deutschland.
Hierzulande stieg sie laut Robert Koch-Institut (RKI) am Samstag weiter auf den Höchstwert von 1735,0 – am Sonntag sank sie jedoch nach längerer Steigerung erstmals wieder. Das Impftempo sinkt weiter. Am Freitag wurden laut RKI mindestens 60.000 Dosen gespritzt, am Freitag vergangener Woche waren es 94.334 Impfungen gewesen.
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Quelle: Handelsblatt