Berlin Für Robert Habeck war es ein Déjà-vu. Vor genau zwei Wochen hatte sich der Wirtschaftsminister im Bundestag vor den Ausschüssen Wirtschaft und Klima schon einmal für einen seiner Staatssekretäre verantworten müssen.
Graichen waren Interessenkonflikte wegen familiärer Verbindungen nachgewiesen worden. Erst verhalf er seinem Trauzeugen zum Chefposten bei der Deutschen Energieagentur, dann zeichnete er eine Förderung für einen Ökoverband ab, bei dem seine Schwester im Vorstand sitzt. Bei Philipp geht es nun um mögliche Interessenkonflikte wegen geschäftlicher Verbindungen.
Philipp, im Ministerium unter anderem zuständig für Industriepolitik und Start-ups, war vor seiner politischen Karriere als Investor tätig. Er hält noch vier direkte Beteiligungen an Unternehmen und ist in mehreren Fonds investiert.
Bereits vor der Sitzung hatte das Wirtschaftsministerium versucht, jeglichen Anschein von Befangenheit oder die Gefahr persönlicher Bereicherung Philipps zu zerstreuen, seine direkten Beteiligungen und die besonderen Regeln für die Arbeit des Staatssekretärs offengelegt. Mit Graichens Abgang wollte Habeck endlich einen Schlussstrich unter die Angriffe auf seine Personalpolitik ziehen.
Doch die Befragung im Bundestag zeigte, dass ihm das nicht gelungen ist. Die Opposition, aber auch die FDP löcherten Habeck und seinen Staatssekretär mit Fragen. Der Ablauf im Fall Philipp weist auffällige Parallelen zu Graichen auf. Die Vorwürfe nehmen scheibchenweise zu, und das Ministerium wird immer weiter in die Defensive gedrängt. Unabhängig davon, dass bei Philipp bislang im Gegensatz zu Graichen keine Compliance-Verstöße nachweisbar sind.
„Ich bin mit Herrn Böhmer nicht befreundet“
Habeck und Philipp mussten sich vor den Ausschüssen insbesondere für Sebastian Böhmer verantworten. Habeck hatte den Gründer des Investmentfonds First Momentum Ventures im August 2022 in seinen Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ berufen.
Philipp musste im Bundestag eingestehen: Er hatte zwei Kandidaten für den Beirat vorgeschlagen, und einer davon war Böhmer. Das Geschmäckle: Der Staatssekretär ist im Fonds von Böhmer investiert.
Und Habeck legte offen, dass er über diese Verbindung nicht informiert wurde. „Dass es eine finanzielle Beteiligung dort gab, das wusste ich nicht“, sagte Habeck. Die Opposition wirft Philipp nun vor, er habe das bewusst so gemacht, um den Wert seines Investments zu steigern.
Habeck verteidigte seinen Staatssekretär. Er sei es gewesen, der explizit um Vorschläge für Expertise bei Wagniskapital für Studierende gebeten habe. Philipp zufolge gibt es in Deutschland in diesem Bereich keinen mit einer Expertise wie Böhmer. Auch eine private Verbindung bestehe nicht: „Ich bin mit Herrn Böhmer nicht befreundet.“
Habeck nannte die geschäftliche Verbindung zwischen Philipp und Böhmer zudem „irrelevant“. Der Beirat sei nicht in einer Position, politische Entscheidungen zu treffen, durch die der Fonds und damit Philipp seine Gewinne steigern könne.
Zudem seien dort 29 Menschen Mitglied, was den Einfluss Einzelner praktisch neutralisiere. Auch Philipp erklärte, es sei ihm nur um Böhmers Expertise gegangen.
Lufthansa-Rettung führte zu keinem Aufschrei
In der zweistündigen Befragung im Bundestag stellte sich Habeck mit Verve vor seinen Staatssekretär. In seinem Eröffnungsstatement machte er gleich klar, Philipps Unternehmensbeteiligungen sehe er nicht als Problem, sondern als Vorteil im Sinne der praktischen Erfahrung. „Ich bin froh, dass Politik nicht nur im eigenen Saft schwimmt“, sagte der Vizekanzler.
Philipp erklärte, er habe alle seine Beteiligungen ungefähr eine Woche vor seinem Amtsantritt dem Ministerium mitgeteilt. Es habe eine klare Bestätigung gegeben, dass diese kein Problem seien.
Gleichzeitig seien Regeln eingeführt worden, damit es erst gar nicht zu Interessenkonflikten komme. Entscheidungen, die seine direkten Unternehmensbeteiligungen beträfen, würden ihm gar nicht vorgelegt. „Ich habe, als ich ins Ministerium gegangen bin, von Tag eins an sichergestellt: Ich war damit nicht befasst, ich bin damit nicht befasst, und ich werde damit nicht befasst.“
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Die Opposition kritisierte vor allem Philipps Engagement für das Sozialunternehmen Africa Green Tec, das sich um die Elektrizitätsversorgung auf dem afrikanischen Kontinent kümmert. An dem Unternehmen ist Philipp mit 4,1 Prozent beteiligt.
Das Unternehmen hat insgesamt 100.000 Euro Förderung aus dem Wirtschaftsministerium erhalten. Philipp entgegnete, Förderungen dieser Größenordnung würden gar nicht bei ihm auf dem Schreibtisch landen und Africa Green Tec gar nicht eine seiner Abteilungen betreffen. Er habe „keine Kenntnisse“ über die Förderung des Unternehmens gehabt.
Angaben, in welche Fonds konkret er neben seinen Direktbeteiligungen investiert hat, wollte Philipp nicht machen. Er wies darauf hin, dass er dazu auch nicht verpflichtet sei und das auch nicht relevant sei. Habeck erinnerte an die Lufthansa. Die frühere Bundesregierung aus Union und SPD hatte die Fluggesellschaft in der Coronapandemie staatlich gerettet.
„Es mag sein, dass es Beamte oder Staatssekretäre in vergangenen Legislaturperioden gegeben hat, die über Fonds beteiligt waren“, sagte der Minister.
Nach Informationen des Handelsblatts aus Kreisen der alten Regierung hat es damals tatsächlich hohe Beamte in der Bundesregierung gegeben, die direkt an der Rettung der Lufthansa und gleichzeitig über Fonds an der Lufthansa beteiligt waren.
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Quelle: Handelsblatt