BeReal ist ein soziales Netzwerk, das keines sein will. Es kommt daher wie eine Art Anti-Tiktok und -Instagram. Und lässt seine Nutzerinnen und Nutzer die meiste Zeit ziemlich langweilig aussehen.
Da ist sie wieder, die Benachrichtigung der App BeReal, innerhalb von zwei Minuten zwei Fotos zu machen. Ein “normales” und eines mit umgedrehter Kamera, Selfie-Modus. Die Meldung kommt zwar jeden Tag, aber dennoch unerwartet. Sehr wahrscheinlich sitzt man gerade mal wieder am Schreibtisch oder lümmelt auf dem Sofa rum und guckt am Ende etwas gequält und mit angefettetem Haar in die Kamera. Auf dem anderen, größeren Foto ist oft ein Schreibtisch oder ein Sofa mit Raum zu sehen. Und wahrscheinlich fällt noch irgendwo eher ungünstig ein Schatten drauf. Nichts wirklich Spannendes. Alltag eben. Soll ja auch alles ganz authentisch sein.
Schließlich wirbt BeReal mit dem Slogan “Deine Freunde in echt”. Kein Wunder, weichen die allermeisten Fotos von den herkömmlichen Schönheitsstandards auf Social Media ab. Hier haben Menschen auch mal Doppelkinn. Es ist ein soziales Netzwerk, das “kein weiteres Social Media” sein will. Filterlos durch den Freundeskreis.
Und das kommt gut an. Die App wurde 2020 von den französischen Unternehmern Alexis Barreyat und Kévin Perreau gegründet und seitdem millionenfach heruntergeladen. In den USA haben unlängst viele Medien über BeReal berichtet, vom “Wall Street Journal” über “Vice” bis zum “New Yorker”. Vor allem bei der Generation Z, den jüngeren Nutzerinnen und Nutzer, komme die App gut an. “Teen Vogue” schreibt ihr einen ermächtigenden und befreienden Twist zu.
BeReal setzt auf Schnappschüsse
Influencer zu werden, dürfte bei BeReal schwerer fallen als andernorts. Es können keine Bilder hochgeladen, nur welche in der App aufgenommen werden. Macht jemand sein Foto verspätet auf, wird das angezeigt. Wer noch keines geteilt hat, kann sich auch noch keine Bilder von anderen ansehen. Die Kommunikationsmöglichkeiten sind bei BeReal eingeschränkter als in anderen Netzwerken. Dafür sind die Reaktionen individualisiert in Form von Realmojis. Statt ein trauriges oder Tränen lachendes Emoji zu teilen, nimmt man bei BeReal ein Foto von sich auf, auf dem man dann traurig gucken oder lachen oder den Daumen heben kann.
Aber wie reagiert man angemessen auf ein Foto, das während der Arbeit im Homeoffice aufgenommen wurde mit einem Teller angetrockneter Spaghetti auf dem Schreibtisch? Daumen hoch für Erwerbsarbeit? Die Benachrichtigung von BeReal kann allerdings auch mal in den Auftritt mit dem Orchester fallen, wie diese Fotos eines Nutzers zeigen:
Für Elon Musk wäre BeReal wohl eher nichts
Dass bei BeReal in den allermeisten Fällen der Glanz und die Urlaubsglückseligkeit anderer Netzwerke fehlen, hat mehrere Gründe: die mangelnden Filter, der Druck, nicht das beste aller möglichen Fotos auszuwählen. Und dann ist da noch der Umstand, dass viele Menschen viel Zeit bei der Arbeit oder auf dem Sofa verbringen und gerade in diesen Zeiten ihr Handy bei sich haben. Wer gerade wandert oder schwimmt, im Kino ist oder bei einem Konzert, der hat (hoffentlich) nicht ständig sein Handy in der Hand, sondern ist auch einfach mal im Moment. Du und deine Freunde in echt.
Bei der App selbst zeigen sie sich selbstbewusst. “Für dich zur Info, Elon, BeReal steht nicht zum Verkauf”, hieß es kürzlich auf dem Twitter-Account von BeReal. Für Elon Musk wäre die App wahrscheinlich ohnehin nichts. Schließlich hat sich der Milliardär und Twitterkäuferanwärter bereits für eine Bearbeitungsfunktion bei Twitter stark gemacht. Das Gegenteil von den “authentischen Momenten”, für die BeReal stehen will. Und Musks Leben zwischen Weltraummissionen und Teslas bauen wäre auch viel zu aufregend zwischen all den Sofa- und Schreibtischfotos.
Quellen: The New Yorker, The Wall Street Journal, Teen Vogue, Twitter
Quelle: Stern