Test
Mit der Apple Watch Series 8 hat Apple eigentlich wenig Neues zu bieten – und könnte sich trotzdem unersetzbar machen.
Die Enttäuschung war zu spüren. Als Apple im September die Apple Watch Series 8 vorstellte, waren viele der anwesenden Tech-Journalisten vor allem vom neuen Ultra-Modell angetan und taten die reguläre Apple Watch als Mini-Update ab. Im Test erweist sie sich tatsächlich als etwas unspektakulär – solange sie von einem Mann getragen wird.
Denn nicht nur optisch hat sich die Apple Watch gegenüber dem Vorgänger kaum verändert. Das Design entspricht exakt der Series 7, das große Display ist das gleiche geblieben. Alle Neuerungen finden sich im Innern. Und auch dort wirkt die Überarbeitung zunächst überschaubar: Der neue S8-Chip ist nicht schneller geworden, was aber auch nicht schlimm ist – schließlich ist die Watch kein Rechenmonster und muss es auch nicht sein. Die einzigen echten Neuerungen sind damit überarbeitete Sensoren für die Beschleunigungsmessung, ein neues Gyroskop und ein Temperatursensor. Das war’s.
Eine klare Zielgruppe
Was für mich wenig aufregend ist, birgt für andere Menschen aber eine riesige Neuerung. Und zwar für “Personen, die einen Eisprung haben”, wie Apple es beschreibt. Also Frauen und Menschen, die sich nicht oder nicht mehr dieser Geschlechterbeschreibung zuschreiben, aber auch einen Menstruationszyklus haben. Genau den kann die Apple Watch Series 8 nämlich nun noch präziser tracken.
Mittels eines neuen Sensors kann die Uhr die Temperatur am Handgelenk messen und selbst subtile Veränderungen erfassen. In meinem Fall wurden etwa Schwankungen um 0,05 Grad Celcius über mehrere Tage erkannt. Doch während das bei mir keine große Aussagekraft hat, lassen diese feinen Unterschiede während Menstruationszyklen durchaus Schlüsse zu. Schließlich wird die Temperatur-Messung auch beim Schwangerschafts-Wunsch oder zur Verhütung genutzt, um die fruchtbaren Tage zu erkennen.
An Frauen-Handgelenken wirkt die 45-Millimeter-Version der Apple Watch Series 8 erheblich größer
© Malte Mansholt / stern
Im kurzen Testzeitraum seit Erscheinen ließ sich das aber nicht konkret testen – dafür benötigt die Apple Watch mehr Zeit. Erst nach fünf Tagen meldet meine Series 8 das erste Mal einen konkreten Temperaturwert für mich. Um Menstruation zu messen, benötigt sie noch länger: Mindestens zwei komplette Zyklen müssen Träger:innen die Watch täglich am Handgelenk lassen, um zuverlässig die kleinen Temperatur-Unterschiede zu erkennen, erklärt Apple. Ob das tatsächlich klappt, wird daher erst ein Langzeit-Test zeigen können.
Im Bett wird getrackt
Die Messung selbst erweist sich als enorm unkompliziert. Nur wenn der Körper ruht, schwankt die Temperatur so gering, dass sich auch die subtilen Unterschiede erfassen lassen. Deshalb erfasst die Watch laut Apple die Temperatur nur in der Schlafenszeit. Dafür dann aber alle fünf Sekunden. Ich bekomme davon nichts mit. Obwohl ich die Watch vorher immer über Nacht geladen hatte, stört sie mich mit einem Silikon-Band oder Sport Loop beim Schlafen kein bisschen.
Ein positiver Effekt: Ich profitiere auch von der mit iOS 16 verbesserten Schlaferfassung, erfahre im Detail wie tief ich schlafe und wie lange ich in welcher Schlafphase war.

Schnell laden, lange laufen
Dass ich die Watch nun tagsüber laden muss statt nachts, ist dank des schon mit der Apple Watch Series 7 eingeführten schnelleren Ladens kein Problem. Auch bei der Series 8 steigt der Akkustand am mitgelieferten Kabel rasant, innerhalb einer halben Stunde war die Watch bei einem Zeittest von 50 auf 93 Prozent betankt. Legt man sie bei der Morgenhygiene also einfach ans Ladekabel, kommt man immer durch den Tag.
Die Laufzeit selbst ist ebenfalls vergleichbar mit den Vorgängern. Im Alltag ist ein ganzer Tag locker drin. Inklusive Reserven, die eigentlich auch einen zweiten Tag schaffen sollten. Schlaf-Tracking sorgt übrigens nicht für große Einbrüche: Mehr als zehn Prozent Akku verbrauchte die Schlafmessung in meinem einwöchigen Testzeitraum nie. Sobald man allerdings ein Training mit GPS-Tracking anwirft, sinkt die Laufzeit merklicher. Aber: Bis auf extreme Ausdauer-Sportler sollte man auch mit regelmäßigen Trainingseinheiten immer über einen ganzen Tag kommen.
Apropos Training: Natürlich ist auch die Series 8 wie die Vorgänger ein toller Sportbegleiter. Im Test erkannte sie sowohl Radfahren als auch Laufen und Schwimmen zuverlässig von selbst, war bei der Erfassung der Strecke genauso präzise, wie man es von den bisherigen Modellen gewohnt war. Die größten Verbesserungen, wie die Anzeige von Herzfrequenzzonen beim Training, das automatische Erkennen des Sportartenwechsels beim Triathlon oder mehr Details zum Lauftraining, bekommen auch ältere Apple Watches: Sie sind Teil des Updates auf das neue WatchOS 9.

Welche ist welche? Die Apple Watch Series 8 lässt sich optisch nicht von der Apple Watch Series 7 unterscheiden. Das neue Modell ist übrigens die Uhr rechts.
© Malte Mansholt / stern
Bereit für den Crash
Die weiteren neue Bewegungssensoren werden für eine Funktion benötigt, die Kunden – auch nach Ansicht von Apple – hoffentlich nie benötigen: Nachdem die Apple Watch in der Vergangenheit bereits gelernt hatte, Stürze zu entdecken, werden nun auch Autounfälle automatisch als solche erkannt. Indem abruptes Abbremsen und laute Geräusche erfasst werden, will Apple Unfälle zuverlässig von einem normalen Bremsmanöver unterscheiden können. In einem solchen Fall bietet die Apple Watch Series 8 an, einen Notruf abzusetzen – und tut es automatisch, wenn die Träger:innen nicht darauf reagieren. In Test-Videos verschiedener Blogs gelang es tatsächlich, die Funktion auszulösen. In meiner Testphase kam zumindest bei schnellem Bremsen mit lauten Kindern im Auto kein Fehlalarm zustande.
Wer eines der neuen iPhones hat, profitiert aber kaum von der neuen Funktion: Auch alle Modelle des iPhone 14 unterstützen das Feature, die Funktion der Watch bietet keinen zusätzlichen Mehrwert.
Fazit: Kein Pflichtkauf – oder gerade doch
Bei der Apple Watch Series 8 hat Apple sich mit Neuerungen zurückgehalten – und gleichzeitig eine potenzielle Revolution eingeleitet. Wer keine Menstruationszyklen durchlebt, bekommt nur die neue Crash-Erkennung als große Neuerung und wird die Series 8 trotz guter Verarbeitung und starker anderer Funktionen als sehr kleines Update wahrnehmen. Will man aber den Zyklus überwachen, bietet sie plötzlich eine völlig neues Nutzungsszenario. Damit hat Apple eine klare Zielgruppe für die Series 8 ausgemacht. Zumindest potenziell: Wie gut das Tracking tatsächlich funktioniert, muss erst noch separat getestet werden.
Entsprechend schwer ist es, der Apple Watch eine Kaufempfehlung auszusprechen. Ohne Zweifel ist sie die beste reguläre Apple Watch auf dem Markt – von der deutlich teureren Apple Watch Ultra mit ihren Extremsport-Funktionen mal abgesehen. Kann man auf den Temperatursensor aber verzichten und legt keinen Wert auf die Crash-Erkennung, spricht nichts dagegen, stattdessen eine Series 7 zu kaufen. Und über 100 Euro zu sparen.
Dieser Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links. Mehr Informationen dazu gibt es hier.
Quelle: Stern